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  • © EGLV / Klaus Baumers
  •  | © EGLV/ Rupert Oberhäuser
  •  | Emscherkunst
  •  | Emscherkunstweg, Andreas Strauss: Das Parkhotel
  •  | Emscherkunstweg, Atelier le Balto: Kunstpause. Foto Hening Rogge
  •  | Emscherkunstweg, Bogomir Ecker: Reemrenreh
  •  | Emscherkunstweg, Mischa Kubal und Lawrence Weiner: Catch as Catch Can. Foto: Daniel Sadrowski / Emscherkunstweg
  •  | Emscherkunstweg, Nicole Wermers: Emscher Folly. Foto: Henning Rogge
  •  | Emscherkunstweg, Olaf Nicolai: Monument for a Forgotten Future. Foto: Hening Rogge
  •  | Emscherkunstweg, Rita McBride: Carbon Obelisk. Foto Hening Rogge
  •  | Foto: Emscherkunst
  •  | Foto: Markus Feger
  •  | Fotos: Henning Rogge
  •  | Piet Oudolf, Gross.Max: Theater der Pflanzen. Emscherkunst, Foto:
  •  | Skizze: Markus Jeschaunig
  •  | Video: Emscherkunst
  •  | Video: Markus Feger

Mit dem Rad unterwegs auf dem Emscherkunstweg

Kette ölen und Reifen aufpumpen. Der Emscherkunstweg führt gut hundert Kilometer die Emscher entlang und ist gesäumt von 23 Arbeiten international renommierter Künstler*innen. Am besten lassen sie sich per Rad erfahren. Von der Mündung des Flüsschens in den Rhein führt unsere Tour der Quelle entgegen. Los geht's!

Mit diesen Rädern kommt man allerdings nicht mehr vom Fleck. Nicole Wermers hat sie im Dreieck arrangiert und an stählernen Fahrradständern festgeschweißt. "Emscher Folly" nennt die Künstlerin ihre Skulptur, die seit 2022 zwischen der Kläranlage Duisburg Alte Emscher und dem Hüttenwerk Burckhausen festsitzt und das Ende oder den Anfang des Weges markiert.

Man bringt also lieber sein eigens Gefährt mit und rollt, vielleicht mit etwas Wind im Rücken, auf glatten Wegen durch den Landschaftspark Duisburg-Nord. Nun heißt es Augen offen halten, sonst lassen sich die kleinen Bauten am Routenrand leicht übersehen. Absteigen lohnt auf jeden Fall. Denn all die Miniatur-Architekturen bilden Häuser nach, die es tatsächlich einmal gab im Revier. Mittlerweile sind sie jedoch verschwunden, abgerissen und fast vergessen.

Das schnöde Kaufhaus und die neugotische Kirche, schäbige Mietshäuser im Plattenbaustil und ein Hallenbad mit Rutschen-Röhre versinken zusehends im Grün. Es sind quasi kleine Denkmäler, die Julius von Bismarck und Marta Dyachenko in ihrer "Neustadt" zusammengestellt haben - stimmungsvoll und nostalgisch dazu. Rund um die Essener Volkshochschule wächst das Gras, und vor dem 60er-Jahre-Wohnkomplex aus Marl streckt sich eine Butterblume bis hinauf zum Balkon im zweiten Stock.

Die Bauten haben schon etwas Rost angesetzt und auch mit Blick auf das wuchernde Grün ringsum könnte man an das schlafende Dornröschen denken. Allerdings ist das Ruhrgebiet längst erwacht. Kultur und Natur statt Schmutz und Schwerindustrie könnte jener Zauberspruch heißen, der auch dem Emscherkunstweg auf die Sprünge geholfen hat.  Ein Skulpturenpfad der eigenen Art ist das, der viel erzählen kann von der Gegend und ihrer Geschichte. 

Die Emscher ist Teil dieser Geschichte: Es war einmal eine Kloake, gespeist aus den Abwässern des Ruhrgebiets. So floss das Flüsschen über Jahrzehnte dahin in seinem tiefen Betonbett: der "dreckigste Fluss Deutschlands". Heute, nach drei Jahrzehnten der Renaturierung, ist das Bild ein ganz anderes. Grün gedeiht an den Ufern.

Statt Chemie und Fäkalien führt die Emscher Quellwasser. Wie in vorindustriellen Zeiten kann sie sich schlängelnd ihren Weg durch die Landschaft bahnen. Schilf wächst, und Fische freuen sich. Auch Eisvögel wurden schon gesichtet. 

Das Projekt Emscherkunst hat diesen beispiellosen Umbau seit 2010 begleitet. Immer wieder kamen dazu Künstler*innen hierher mit ihren Werken. Viele waren temporär und verschwanden nach einem Sommer wieder. Andere Arbeiten sind stehengeblieben, sie werden den Emschwerkunstweg auf Dauer bestücken und regelmäßig durch weitere ergänzt.  

Von den Mini-Architekturen im Landschaftspark Duisburg Nord sind es nur ein paar Kilometer auf dem Sattel bis nach Oberhausen in den Kaisergarten, wo sich Tobias Rehbergers Spiralbrücke in 496 Aluminiumbögen schwungvoll und lässig über den Rhein-Herne-Kanal windet.

Wie ein Seil soll sie wirken, das über das Wasser geworfen wurde. Auf bunten Kunststoffmatten führt der beschwingte Weg übers Wasser – hin und her und dann wieder aufs Rad. 

Weiter zum "Zauberlehrling", der mitten im Gehölzgarten Riphorst über die Baumkronen ragt. Nicht regelgerecht und ordentlich gerade, wie es sich für einen Strommast gehört, sondern beschwingt verbogen steht er auf dem Feld. 

Während all die vielen uniformen Kollegen ringsum an ausgestreckten Armen pflichtbewusst ihre Leitungen tragen, hat der "Zauberlehrling" sich frei gemacht – vielleicht investiert er seine Energie lieber anderweitig. 

Denkt man etwas weiter und zurück bis zum "Zauberlehrling" aus Goethes Gedicht, so könnte man das 2013 von der Gruppe Inges Idee erdachte Kunstwerk auch als Anspielung verstehen auf den immer mehr Ressourcen fressenden technischen Fortschritt seit der Industrialisierung. "Die ich rief, die Geister, werd‘ ich nun nicht mehr los", so heißt es bei Goethe, und so könnte es auch jetzt heißen mit Blick auf die Zukunft unseres Planeten. 

Im Rahmen des Emscher-Umbaus, der den Fluss zurück in einen naturnahen Zustand führen soll, wurden in den 1990er Jahren viele Kläranlagen stillgelegt. So auch diejenige im Stadtteil Bottrop-Ebel, wo nun ein Park entstanden ist.

Der richtige Ort für den Gartenkünstler Piet Oudolf, der eines der beiden runden Klärbecken mit Erde gefüllt und darin eine Pflanzenkomposition aus Stauden und Gräsern angelegt hat. Wege und Sitzgelegenheiten machen sein "Theater der Pflanzen" komplett. 

Die vermeintlich unberührte Landschaft feiert ein "Monument for a forgotten Future", das auf dem Streifen zwischen Emscher und Rhein-Herne-Kanal bei der Schleusen in Gelsenkirchen in einem Sandbett liegt. Zumindest in Gedanken verlässt Olaf Nicolai hier das planvoll renaturierte Flüsschen und schweift bis in den Joshua Tree Nationalpark nahe Los Angeles.

Eine Felsformation, die der Künstler dort fand, hat er originalgetreu nachgebaut. Die Konstruktion aus Stahlgerüst und Spritzbeton beschreibt er als "unnatürliche Naturerscheinung". Der Clou: Der hohle Kunstfels beherbergt eine Musikanlage und lädt im Sommer zur musikalischen Pause mit einer Komposition der schottischen Band Mogwai ein.

  • Bild: Emscherkunst. Foto: Daniel Sadrowski

Nach der Rast kann der Weg weitergehen. Etwa zur nächsten stillgelegten Kläranlage in Herne - auf einem ehemaligen Faulbehälter hat Silke Wagner hier ein über 600 Quadratmeter großes Mosaik angebracht, das von den Protesten der Bergarbeiter im Ruhrgebiet erzählt...

... oder auf Tadashi Kawamatas hölzernen Tower: Von oben kann man die ruhige Gegend am Ende der Emscherinsel in Recklinghausen überblicken.

Sehenswert ist auch jener markante Löschteich, den  Massimo Bartolini am Hof Emscher-Auen in Castrop-Rauxel gestaltet hat. Dabei dachte er an Kasimir Malewitschs schwarze Quadrate und Kreise auf weißem Grund.

Wer es bis hierher geschafft hat, kann die Beine hochlegen. Denn eigens für müde Emscher-Touristen hat Andreas Strauss vis-a-vis dem historischen Hofgebäude eine Filiale seiner höchst ungewöhnlichen Hotelkette eröffnet. Wie schon im Bottroper Berne Park laden auch hier in idyllischer Auenlandschaft für die Nacht Schlafkabinen in wohnlich hergerichteten Kanalrohren. 

Frisch und ausgeruht rollt die Tour dem Finale entgegen, das zwei der jüngsten Arbeiten bereithält. Direkt am Emscher-Wegesrand in Dortmund Schüren hat David Jablonowski 2021 ein Skulpturenensemble abgelegt. "Public Hybrid" heißt die Arbeit - und sie schaut sowohl zurück als auch nach vorn in die Zukunft.

Beides kommt zusammen in diesen Skulpturen, die an Sedimente erinnern und zwei unterschiedliche Materialien vereinen: Recycelter Kunststoff trifft auf Ruhrsandstein aus dem nahen Sprockhövel. Heimisches Gestein, über 300 Millionen Jahre alt, vereint mit Zukunftstechnologien – in Gestalt von wiederverwertetem Material, das per 3D-Druck in Form gebracht wurde. 

Gar nicht fern liegen Sofìa Táboas "Pool Lines", die neueste Arbeit an der Emscher. Zwischen Schrebergärten und Gewerbegebiet sieht man kleine, grün schimmernd geflieste Mauern, die sich zu Dreiecken fügen und an archäologische Ausgrabung denken lassen. Sind es vielleicht die Überreste eines Schwimmbeckens aus uralten Zeiten? Auf jeden Fall ist es ein schönes Plätzchen, um die Tour Revue passieren zu lassen. Und vielleicht auch in die Zukunft zu blicken.

Der nächste Neuzugang am Emscherkunstweg ist bereits in Arbeit. Markus Jeschaunig macht sich zu schaffen am alten Pumpwerk der stillgelegten Zeche Königsgrube in Herne. Auf Industrieruinen pflanzt er Bäume und hält mit Photovoltaik ein Bewässerungssystem in Gang. 

Seine "Königsgrube" soll erinnern an die ökologische Zerstörung, die der Bergbau mit sich brachte, und gleichzeitig zeigen, wie neues Leben und „klimapositive“ Orte in der Stadt entstehen können. Ein echtes Emscherkunststück...

Konzept & Texte: Stefanie Stadel

Fotos: Markus Feger & Emscherkunstweg / Heinrich Holtgreve / Henning Rogge

Videos: Markus Feger & Emscherkunstweg